Kommunale Gestaltungsmöglichkeiten zum Alkoholkonsum auf öffentlichen Freiflächen

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat in einem bei den Kommunen vielbeachteten Urteil eine städtische Satzung aufgehoben, mit der in der Innenstadt ein Alkoholverbot verhängt worden war. In der Tagespresse ist teilweise der Eindruck entstanden, mit dem Urteil seien die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden erheblich eingeschränkt worden. Eine nähere Analyse des Urteils zeigt, dass die Auswirkungen für die Kommunen dieses Ausmaß nicht erreichen, sondern bei sachgerechter Gestaltung durchaus Möglichkeiten verbleiben.

Der VGH Mannheim hat eine Polizeiverordnung der Stadt Freiburg für unwirksam erklärt, die diese zur Gestaltung ihres Stadtbildes erlassen hatte. Damit war auf öffentlichen Straßen, in öffentlichen Anlagen und öffentlichen Einrichtungen das Lagern oder dauerhafte Verweilen außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u.ä. „ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses“ untersagt worden – allerdings nur, „wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen“. Dagegen hatte ein Freiburger Jurastudent sich im Wege der Normenkontrolle gewandt mit der Begründung, er wolle auch in Zukunft auf beliebten öffentlichen Plätzen im Stadtgebiet verweilen, um dort Bier zu trinken. Der VGH hat die Verordnung für unwirksam erklärt, weil sie gegen das verfassungsrechtliche Gebot hinreichender Bestimmtheit verstoße. Da unklar sei, wann der Alkoholkonsum geeignet sei, „Dritte erheblich zu belästigen“, könnten weder der Bürger noch die Ordnungsbehörden hinreichend deutlich erkennen, was erlaubt und was verboten sei (Urteil vom 28. 7. 2009, Aktenzeichen 1 S 2340/08). Bezug genommen hat der VGH dabei auch auf ein älteres Urteil aus 1998, mit dem er ein pauschales Alkoholverbot mit der Begründung aufgehoben hat, das „Vermeiden bloßer Ärgernisse“ für die Kommunen sei ordnungsbehördlich nicht schützenswert. Auch Versuche der Gemeinden, straßenrechtlich im Rahmen sog. Sondernutzungssatzungen beispielsweise das „Sichniederlassen zum Zwecke des Alkoholgenusses“ zur „erlaubnisfähigen Sondernutzung“ zu erklären, haben die Obergerichte in der Vergangenheit teilweise für rechtswidrig erklärt.

Die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen sind damit jedoch bei näherer Betrachtung nicht gänzlich beseitigt worden. Den Gemeinden verbleiben substantielle Regelungsmög-lichkeiten in den Fällen, bei denen es wiederholt zu erheblichen Vorfällen gekommen ist. Voraussetzung dafür ist, dass eine sogenannte „abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ vorliegt. Bei allen Vorbehalten, die auch politisch einen vorsichtigen Umgang mit Gefahrenabwehrverordnungen nahelegen, kann dies etwa bei „typisch alkoholbedingten Störungen“, wie sie auf vielen öffentlichen Plätzen in Innenstädten zu beobachten sind, der Fall sein. Um die gemeindliche Satzung für eine gerichtliche Überprüfung abzusichern, sollten dabei die Störungen, deren Beseitigung angestrebt wird, möglichst konkret bezeichnet werden, um gerichtlich überprüfbare Maßstäbe zu gewinnen. Beispielsweise bilden die Auswirkungen allabendlichen Lärms den Gegenstand u.a. baurechtlicher Regelungen, aus denen konkret abzusehen ist, welcher Lärmpegel zu welcher Tageszeit in welchen Gebieten zulässig ist und wann eine – rechtlich relevante – Störung oder gar Gesundheitsgefährdung anzunehmen ist. Auch in der Rechtsprechung zum Gaststättenrecht sind konkrete Maßstäbe gebildet worden, unter welchen Umständen etwa von „schädlichen Umwelteinwirkungen“ im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder „erheblichen Nachteilen, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit“ auszugehen ist. Wenn also die Gemeinde für einen bestimmten Teil ihrer Innenstadt nachvollziehbar und anhand belastbarer Erhebungen messbare Lärmbelästigungen, Verunreinigungen, Gefährdung von Passanten durch Glasscherben, Drogenmissbrauch, sonstige Straftaten o.ä. nachweist, kann ein Alkoholverbot durch Gefahrenabwehrverordnung ein adäquates Mittel zur Gefahrenabwehr sein.

Dr. Michael Winkelmüller
Saskia Misera