Stadträume am Rhein

Die Region Köln/Bonn entdeckt ihre Ufer

Lagen mit Wasserblick werden seit einigen Jahren als attraktive Lebensräume mit urbanen und landschaftlichen Qualitäten neu entdeckt. Der Rhein in der Region Köln/Bonn ist aber nicht nur Kulisse für schöne Projekte, sondern Potenzial und Herausforderung zugleich: Er ist Arbeitgeber, Infrastruktur und Landschaftsgestalter. Er bringt Hochwasser ebenso wie Freizeitvergnügen, wird begleitet von architektonischen Highlights aber auch von baulichem Gleichmut. Mehrspurige Straßen und Rückseiten ausgedehnter Siedlungsbänder sind oftmals Realität. Grüne Uferkanten und Landschaftsräume treten deutlich hinter verdichtet bebauten Arealen zurück.

Der morphologische Facettenreichtum seiner Ufer – zwischen harten Stadtkanten, Industrieanlagen und sich wandelnden Kulturlandschaften – spiegelt dabei die Mannigfaltigkeit der Planungsaufgaben entlang des Rheins wider. So weisen viele raumwirksame Projekte der Regionale 2010 in der Region Köln/Bonn direkt oder indirekt eine Schnittstelle zum Thema Rhein auf. Die Regionale 2010 ist ein Strukturprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, das im Turnus von zwei Jahren einer ausgewählten Region die Möglichkeit gibt, sich zu präsentieren. Dazu werden vom Land prioritär Projekte gefördert, die einen Mehrwert für die Region haben und geeignet sind, strukturrelevante Entwicklungsimpulse zu geben.

Sechs Projekte im Regionale-Raum zwischen Bad Honnef und Leverkusen beschäftigen sich explizit mit der Rheinlage: Die „Gesamtperspektive Königswinter/Drachenfels“ leistet einen Beitrag zur Aufwertung eines traditionellen Tourismusziels (www.koenigswinter2010.de). Das „Grüne C“ vernetzt, sichert und qualifiziert Freiräume beiderseits des Rheins zwischen Alfter und Sankt Augustin. Bonn will seine Innenstadt unter dem Motto „Stadt zum Rhein“ stärker zum Fluss öffnen und die Industriestadt Wesseling orientiert sich mit der „Innenstadtperspektive“ neu zu ihrem Ufer. Köln möchte mit „Wohnen am Strom“ neue Wohnbaupotenziale unter Berücksichtigung der Hochwasserproblematik erschließen sowie unter dem Stichwort „Stadtentwicklung beiderseits des Rheins“ seine Innenstadtbereiche wirksamer vernetzen. Allen Projekten der Regionale 2010 ist der Wunsch nach einer Hinwendung zum Fluss gemein. Sie werden die sichtbaren Zeichen sein, die die Ergebnisse des Strukturprogramms für die Bewohner erlebbar machen (www.regionale2010.de).

Daneben stehen bereits realisierte Projekte für eine veränderte Haltung der Region zu ihrem Strom. Ein prominentes Beispiel ist der Rheinauhafen Köln. Dort entsteht ein neues Stadtquartier auf ehemaligen Hafenflächen (www.rheinauhafen-koeln.de). In Wesseling bringt das neue Veranstaltungszentrum Rheinforum städtisches Leben an den Fluss. Mit dem Rheinwerk wurde in Bonn ein hochwertiger Bürostandort mit Rheinpromenade auf dem Areal einer früheren Zementfabrik geschaffen, der vorbildlich historische Bausubstanz integriert (www.rheinwerk-bonn.de). Und der Neuland-Park in Leverkusen zeigt, wie sich ein ehemaliges Deponiegelände zu einem attraktiven Park wandelt, der den Bewohnern erstmalig einen Zugang zum Fluss ermöglicht und das bislang von Industrieanlagen geprägte Rheinpanorama ergänzt (www.neuland-park.de).

Eine Ideenschmiede für die Zukunft von Vater Rhein

Nicht für alle Fragen und Herausforderungen am Rhein konnten anderenorts gute Lösungen gefunden werden. Dies unterstrich die Notwendigkeit, aus der Region heraus eine mittel- bis langfristige Perspektive für die ‚Stadträume am Rhein’ zu entwickeln. Eine interdisziplinäre Entwurfswerkstatt setzte an dieser Stelle an: Im September 2007 befassten sich drei Tage lang namhafte Architekten, Planer und Landschaftsarchitekten, unterstützt von Experten anderer Fachdisziplinen, in vier Gruppen mit verschiedenen Räumen und Themen.

Beispielsweise die Entwurfsgruppe RHEIN. Sie entwickelte ein gesamträumliches Bild von einem dynamischen Fluss. Sie ließ sich vor allem von der Erkenntnis leiten, dass sich das Zeitalter der technischen Beherrschbarkeit des Rheinstroms vor dem Hintergrund des Klimawandels und ökologischer Aspekte seinem Ende zuneigt. Der Entwurf experimentiert mit einem Perspektivwechsel – vom regulierten zum wieder freieren Fluss mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Ziel war, dem Rhein in der Region Köln/Bonn wieder mehr Raum zu geben. Dazu wurde ein System aus wiederbelebten Altarmen, Flussauen und neuen Rheinwerthen (Werthe sind gestaltete, befestigte Binneninseln) entworfen. Die Rheinwerthe sind bei Normalwasser trockenen Fußes erreichbar und werden bei extremem Hochwasser vom Rhein umflossen – ein Archipel entsteht. Neue Rheinlagen bilden sich im Hinterland an temporären Flutmulden aus, die bei Normalwasser attraktive Grünräume darstellen. Dort können neue Siedlungskanten entwickelt werden.

Stromlagen

In der Zusammenschau bietet das Spektrum der Ideen, Denkrichtungen und Raumbilder der Region Köln/Bonn eine lebendige Diskussionsgrundlage, um die Zukunft der Stadträume am Rhein zu gestalten. Daher wurden Ergebnisse des Projekts ‚Stadträume am Rhein’ in einem Buch „Stromlagen“ dokumentiert, um den Planern einen Fundus an Ideen für den Planungsalltag an Flüssen an die Hand zu geben. Es zeigt die regionalen Analysen, die Ergebnisse der Entwurfswerkstatt, blickt auf 16 gute Projekte, die den Erfahrungsschatz im Bauen und Planen am Rhein in der Region Köln/Bonn zeigen. Jüngst Gebautes wie der Kölner Rheinauhafen ist ebenso dokumentiert wie Projekte der Regionale 2010. Wertvolle Anregungen bietet zudem eine umfassende Sammlung von 82 internationalen Best-Practice-Beispielen von besonderer städtebaulicher, gestalterischer und strategischer Qualität.

Die Rheinkonferenz 2010 und der Arbeitskreis Rhein

Die Region Köln/Bonn hat sich in den letzten Jahren intensiv mit ihrem Rheinabschnitt zwischen „Romantischem Rhein“ und Niederrhein auseinandergesetzt. Insbesondere die Projekte im Stadt- und Landschaftsraum sowie die Kommunikationsformate des Strukturprogramms Regionale 2010 haben zu einer verstärkten Beschäftigung der Region mit ihrer geographischen Mitte geführt. Die seit 2005 jährlich stattfindenden Rheinkonferenzen der Regionale 2010, zu denen regelmäßig mehrere hundert Teilnehmer kommen, haben sich dabei als wichtige Plattform für den Austausch der Akteure am Rhein herausgestellt. Die Regionale 2010 nimmt ihre Abschlusspräsentation in den Jahren 2010 und 2011 zum Anlass, den Bezugsraum für die Rheinkonferenz 2010 auf den gesamten Flusslauf – von der Quelle bis zur Mündung – auszudehnen und unter dem Motto „Zukunft Rhein“ allen Anliegern ein Forum zu bieten. Ziel der Konferenz, die am 18. und 19. November 2010 im ehemaligen Plenarsaal im Bonner Bundesviertel stattfinden wird, ist es, grenzüberschreitende, interkommunale und interdisziplinäre Dialoge zu den gemeinsamen Entwicklungsaufgaben am Rhein zu initiieren.

Verstetigung der Zusammenarbeit in der Region Köln/Bonn

Die Region Köln/Bonn hat darüber hinaus den Verständigungsprozess institutionalisiert und wird ihn über das Abschlussjahr der Regionale 2010 hinaus fortführen. Am 3. April 2008 wurde in Wesseling der Arbeitskreis Rhein des Verein Region Köln/Bonn e.V. gegründet. Ihm gehören neben Vertretern aller Rheinanrainerkommunen im Raum der Regionale 2010 (dies sind Bad Honnef, Bonn, Bornheim, Köln, Königswinter, Leverkusen, Niederkassel und Wesseling) und des Rhein-Kreis Neuss auch Fachleute an, die zu verschiedenen Rheinthemen hinzugezogen werden. Diese Allianz, die als beispielhaftes Kooperationsprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik vom Bund gefördert wird, soll gemeinsame Qualitätsansprüche an das Planen und Bauen am Rhein formulieren und umsetzen.

C. Hölzer, T. Hundt, C. Lüke