Kommunen investieren

Die Kommunen und ihre Finanzen – ein Thema, das immer die Gemüter erhitzt. In Zeiten der Finanzkrise noch mehr als je zuvor. Nach den schlechten Nachrichten der letzten Wochen kommt jetzt die gute: Dank Mitteln aus dem Konjunkturpaket wird in den nächsten Wochen und Monaten voraussichtlich einiges investiert, um die Wirtschaft zu unterstützen und Städte bzw. Gemeinden zukunftsfähig zu machen.

Das Jahr startete mit schlechten Finanznachrichten und eine mehr oder minder ausgeprägte Angst vor der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht den Bürger allerorts über die Medien. Verstärkt durch das typische deutsche Mentalitätsmerkmal der „German Angst“, oder auch im Ausland als „German Disease“ bekannt, was dafür sorgt, dass uns immer alles ein bisschen bedrohlicher und dramatischer vorkommt als unseren Nachbarn. Dabei wird schnell vergessen, dass es der Bundesrepublik und den Kommunen in den letzten beiden Jahren erstaunlich gut ging. Und wer erinnert sich noch an die Rezession von 2003?

„Für den Begriff Rezession gibt es keine einheitliche Definition“ ist interessanterweise im Glossar der Webseite des Bundesfinanzministeriums zu lesen. Sie läge nach allgemeinem Verständnis dann vor, wenn die Wachstumsrate im Vergleich zu den jeweiligen Vorquartalen in zwei aufeinander folgenden Quartalen negativ ist. Laut Prognose im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, der im Januar vorgelegt wurde, wird die Konjunktur 2009 nach zwei Wachstumsjahren um 2,25 Prozent schrumpfen. Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos stellte sich bei der Vorstellung des Berichtes sich auf „schwierige Zeiten“ ein. Die nun sein Nachfolger zu Guttenberg zu bewältigen hat. Allerdings ist die Stimmung auf den Finanzmärkten immer eine Frage der Stimmung insgesamt – man wird im Laufe des Jahres sehen, wie schwierig die Zeiten nach der Dramatik des Jahresanfanges wirklich werden oder ob alle doch noch einigermaßen glimpflich davonkommen. Schließlich könnte Obamas fast 800-Milliarden-Dollar schweres Care-Paket eine stark stimmungshebende Wirkung auf die weltweiten Börsenkurse haben.
Wie und ob sich der deutsche Schrumpfungsfaktor von prognostizierten 2,25 Prozent konkret in der einzelnen Stadt und Gemeinde auswirken wird, ist derzeit noch unklar, zumal Experten diese Zahl bereits nach oben korrigiert haben: Die regionalen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestalten sich sehr unterschiedlich, die Risiken für einzelne Kommunen sind ganz unterschiedlich gelagert und die Entwicklung der Finanzkrise mit ihrer Wirkung auf die kommunalen Finanzen ist ebenfalls noch Spekulation.

Das einzige, was derzeit klar ist, ist das Bekenntnis der Regierung, mit dem Konjunkturpaket II ein positives Signal zu setzen. Aber selbst, wie gut das gelingt, ist unklar: bekanntermaßen diskutierten Finanzexperten, Politiker und Medienvertreter zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusse  noch darüber, wie die Finanzmittel für die Kommunen möglichst schnell in konkrete Aufträge für Unternehmen umgesetzt werden und ob die Erleichterungen für den Bürger wirklich zu mehr Konsum führen oder lediglich die Preissteigerungen des letzten Jahres auffangen. Fest steht allerdings, dass die aktuelle Neuverschuldung des Bundes für das Konjunkturpaket im Rahmen des Nachtragshaushalt im Januar von 18,5 auf 36,8 Mrd. Euro erhöht wird.

Zuwendungen versus Investitionsbedarf

Es ist gut, wenn bald überall Schulen und Straßen saniert werden, und wenn es auch in entlegenen Regionen Zugänge zum Breitbandnetz gibt – aber, Fakt ist: Auch diese Mittel für das Konjunkturpaket II stehen nicht wirklich zur Verfügung und müssen irgendwann teuer verzinst zurückgezahlt werden. „Jedem Steuerzahler muss bewusst sein, dass dieses Konjunkturpaket über Schulden finanziert wird“, mahnt Dr. Karl Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler in einem Statement im Januar 2009.  Natürlich wird sich positiv bemerkbar machen, dass die Gelder – nach Klärung aller noch offenen Fragen – real in die Kommunen fließen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Geplant sind 10 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket II für Länder und Kommunen. Im Vergleich: Laut Presseinformation des Deutschen Städtetages von Ende Januar waren die Städte und Gemeinden 2008 mit Investitionen in Höhe von 21 Milliarden Euro die größten Auftraggeber der öffentlichen Hand, in diesem Jahr erhöht sich der Betrag unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Minderausgaben durch die Finanzkrise und der Zuschüsse des Bundes nur leicht – so die Prognose des  Städtetags. Demgegenüber steht laut im Sommer 2008 vorgelegter Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU) ein Investitionsbedarf in Höhe von 704 Milliarden Euro im Zeitraum 2006 bis 2020 für Straßen, Schulen, Ab- und Trinkwasser, Sportstätten, Kultur, ÖPNV, Krankenhäuser, Verwaltung und Städtebau sowie sonstige Bereiche. Das entspricht einem jährlichen Bedarf von 47 Milliarden. Diese Summe umfasst nicht nur den Investitionsbedarf der Kommunen selbst, sondern auch der kommunalen Unternehmen (s. Studie „Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen – Ausmaß, Ursachen, Folgen und Strategien“, Deutsches Institut für Urbanistik, www.difu.de).
Die Aufgaben für jede Kommune bleiben angesichts des Defizits also bestehen, die Einnahmen durch Bindung von Unternehmen zu erhöhen, Investoren zu gewinnen und Betriebskosten auszulagern oder langfristig sicher planen zu können. PPP- bzw. ÖPP-Projekte bieten hier mit ihren Vorteilen Inspirationen, aber mit ihren Nachteilen auch Anlass zur Diskussion. Außerdem gilt es, so sparsam zu haushalten, wie es die schuldenfreie Städte und Gemeinden seit einiger Zeit vormachen – und dabei trotzdem in Bildung, Infrastruktur und Kultur zu investieren: Ein Spagat, der den Verantwortlichen viel Gelenkigkeit abverlangt.

Kommunale Risiken

In den kommenden beiden Jahren sind es vor allem folgende Risiken, die derzeit schwer abschätzbar sind: Einbußen bei der Gewerbesteuer, die frühestens Anfang 2010 spürbar werden, da die Krise Ende 2008 nur langsam Deutschland erreichte. Zudem liegen die Verluste durch Fehlspekulation im Bereich der Swap-Geschäfte laut aktuellem Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler schon jetzt für Städte wie beispielsweise Hagen, Remscheid und Neuss im zweistelligen Millionenbereich. Risiken bergen auch die in der 90er Jahren gerne mit US-amerikanischen Unternehmen geschlossenen Cross-Border-Leasing-Verträge. Ob verkauft und zurück geleast oder ganz verkauft: Viele öffentliche Kanalsysteme, Schienensysteme, Messehallen, Wohnbaugesellschaften und Immobilien sind schon lange in US-amerikanischen Händen – die betroffenen Kommunen kennen ihre Risikokandidaten. Laut einem Bericht der TAZ aus Oktober 2008 haben etwa 150 Städte oder staatliche Unternehmen Ende der 90er Jahre so ihre Wasserleitungen, Messehallen, Kläranlagen oder Schulen an US-Investoren verkauft und zurück geleast. Sie bekamen dafür kurzfristig Liquidität und langfristige Mietverträge für das ehemalige Eigentum. Diese Verträge und Konstrukte der Beteiligten seien sehr komplex und sicherten vor allem die Investoren ab. Nun stellen wohl viele Kämmerer fest, dass US-Banken und Investoren nicht unverwüstlich sind.

Kommunale Chancen

Neben allen Risiken birgt die Krise natürlich auch Chancen: Kreative Lösungen finden in Umbruchphasen einen guten Nährboden. So machen ein verändertes Sparbewusstsein und die Stärkung der Ressourcen wie Bildung, Infrastruktur und Technologie (Stichwort Breitbandtechnik für alle Regionen) die Kommunen durch das Konjunkturpaket II wieder zukunftsfähig. Gerade in den Schulen ist teilweise ein erheblicher Investitionsstau zu beklagen, der in den nächsten beiden Jahren angegangen wird. Vielerorts sind Maßnahmen geplant, um die vom Bund vorgegebenen Kinderbetreuungsangebote zu realisieren. Beides sind wichtige Faktoren, um qualifizierte Arbeitnehmerfamilien an eine Stadt zu binden – und damit Unternehmen einen Standortvorteil durch entsprechende Fachkräfte-Ressourcen zu bieten. Zudem haben Investitionen im Energiesparbereich neben dem Spareffekt noch den Umweltaspekt zu bieten. Die breit angelegte Energiesanierung öffentlicher Gebäude, die derzeit von der Bundesregierung unterstützt wird, oder Lichtsparkonzepte wie die Umstellung auf Gelblicht in Großwestheim, das Lichtcontracting-Konzepte in Mechernich und anderen Ortschaften und auch die Umstellung des Stadtwerke-Fuhrparks in Burscheid auf Erdgas bringen langfristige Lebensqualität, auch noch für unsere Enkel. Die werden allerdings noch lange dafür zahlen müssen …. Städte wie Langenfeld oder Bietigheim-Blissingen haben bereits vor Jahren umgedacht und sind schuldenfrei. Mit einem sattem Rücklagenpaket im Rücken kann eine solche Kommune der Krise zunächst noch entspannt entgegen blicken.

Es bleibt spannend …

Parallel zu wirtschaftlichen Negativmeldungen gilt es, der „German Angst“ zu trotzen und auch die positiven Nachrichten bewusst zu lesen: So meldete Siemens Mitte Januar laut Spiegel online für das Geschäftsquartal Oktober-Dezember eine Steigerung des operativen Gewinns vom einem Fünftel auf gute 2 Milliarden Euro und übertraf damit alle Erwartungen. Leider wurde im Februar trotzdem Kurzarbeit angekündigt. Der TV-Gerätehersteller Loewe meldete im Januar den größten Gewinn der Firmengeschichte. Ebenso war von IBM zu Jahresbeginn zu lesen, dass dort ein Rekordgewinn realisiert werden konnte. Kein Wunder, dass bei solchen Nachrichten das Wirtschaftsstimmungs-Barometer der IFO (Institut für Wirtschaftsforschung) im Januar eine leichte Besserung aufzeigte – die sich im Februar nur leicht verringerte. Die einen Experten sprechen von Kollaps und Abstürzen, die anderen legen den Focus auf leichte Steigerungen des Dow Jones Indexes, positive Unternehmensnachrichten und erinnern an die insgesamt positive Ausgangslage durch die beiden Wachstumsjahre vorher. Neben den derzeit in den Medien präsenten Fällen von verstärkter Kurzarbeit oder Firmenpleiten ist in vielen anderen Kommunen die Krise real beispielsweise durch durch Entlassungen und Unternehmensschließungen noch nicht spürbar geworden. Wie sich das Jahr tatsächlich für den Bürger, die Kommune, das Land und den Bund und die Welt entwickeln wird, bleibt spannend.

Investition in die Jugend lohnt sich immer

Bei allen berechtigten Ausblicken in das globale Finanzgeschehen lohnt es sich bisweilen, die Richtung zu ändern und den Blick zurück in die eigene Kommune, ja sogar die eigene Straße zu richten: Denn hier, im Kleinen, finden sich schon viele Sparideen, die man auch im größeren Stil weiter denken kann. So fegen Wuppertaler und Langenfelder Bürger ihre Straßen selbst, kümmern sich an vielen Orten ehrenamtliche Spielplatzpaten um den Zustand dieser öffentlichen Freiflächen, finden sich Sponsoren zur Errichtung von Spielplätzen oder Bepflanzung von Kreiseln, Verkehrsinseln oder Durchführung von Kulturprojekten und werden Jungunternehmer mit geringen Mieten in Zwischennutzungs-Immobilien unterstützt. Gerade Investitionen in Kinder- und Jugendprojekte lohnen sich, um als attraktiver Standort wettbewerbsfähig zu werden oder zu bleiben. Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Arbeitnehmer und die Unternehmer von morgen – deshalb sollte gerade in Krisenzeiten an ihnen nicht gespart werden.

Dagmar Thiemann